Der Kontext, in dem wir arbeiten
Die Flüchtlingssituation in Griechenland
In Griechenland kommen seit 2015 eine grossen Zahl von schutz- und asylsuchenden Menschen an. Laut UN-Statistiken kommen die meisten Betroffenen aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine. 2023 waren in Griechenland 2023 über 192.000 Flüchtlinge, 35.000 Asylsuchende und andere „people of concern“, Menschen die ebenfalls unter das UNHCR-Mandat fallen, registriert. Rund die Hälfte von ihnen sind Frauen und Mädchen (vgl. UNHCR Factsheet Greece).
Nach der Bootstragödie vor der Küste Messiniens im Juni 2023, bei der über 600 Menschen ums Leben kamen, wurde Griechenland vom EU-Parlament wegen seiner Praktiken an den Grenzen unter die Lupe genommen. Auch Frontex wurde für vergangene Aktionen vom EU-Parlament zur Rechenschaft gezogen, und die Ombudsstelle untersuchte die Mitschuld der Kommission an der Finanzierung illegaler Grenzoperationen. Die EU-Staaten unternahmen erste Schritte zur Beseitigung der wichtigsten Hindernisse für eine umfassendere Einigung über die Asyl- und Migrationsvorschriften der Staaten-Gemeinschaft, indem sie sich auf eine Reihe neuer Verfahren zur Steuerung der Einwanderung einigten.
Trotz des Schocks nach der Tragödie von Messinien wurden bei den Entscheidungen über die Einwanderung mehrere kritische Themen miteinander vermischt, ohne dass die Notwendigkeit der Wahrung grundlegender Menschenrechtsprinzipien wie Würde, Fairness, Gleichheit und Respekt konsequent berücksichtigt wurde. Der demografische Druck, Debatten über Fragen der Identität und Integration sowie Fragen zum Schutz der EU-Außengrenzen bestimmten die Verhandlungen und die Entscheidungsfindung in Bezug auf Asyl- und andere Einwanderungsfragen, was Auswirkungen auf Wahlergebnisse in Mitgliedstaaten hatte und immer noch hat.
Abschreckung, Eindämmung und Ausgrenzung bleiben die drei Säulen der Einwanderungspolitik der EU und der Mitgliedstaaten, und die Hoffnungen auf eine würdigere Unterstützung von Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflohen sind, wurden einmal mehr durch extremistische Rhetorik und fehlenden Konsens für ein sicheres, würdiges und faires Asylsystem zunichte gemacht.
Griechenland ist überfordert mit dieser Situation und führt ein strenges und oft dysfunktionales Asyl- und Migrationssystem, das systematisch unter Druck steht.
Die Politik der Grenzabschottung, der eingeschränkte Zugang zu Ressourcen und der zunehmend widerwillige Empfang in Europa haben für Geflüchtete eine Vielzahl von Problemen hervorgebracht, die von Menschenrechtsverletzungen bis hin zu praktischen Problemen wie knappen finanziellen Mitteln und unsicheren Unterkünften reichen.
Auf der anderen Seite des Spektrums bemühten wir, die in Griechenland tätigen humanitären Organisationen, uns weiterhin um die Durchführung von Programmen, die den sozialen Zusammenhalt und die Selbstversorgung der Vertriebenen wirksam unterstützen.
Das griechische Asylsystem operiert auf der Grundlage, dass die Türkei ein sicheres Land für Rückführungen ist, doch Ankara übernimmt bis jetzt diesbezüglich keine Verantwortung - somit bleiben viele Asylsuchende in einem Zustand der Vergessenheit auf den Ankunftsinseln. Darüber hinaus sind die Geflüchteten in Griechenland mit einem erdrückenden Paradoxon konfrontiert: Asylbewerber:innen sind von der Umsetzung der territorialen Einschränkungen betroffen, die die Menschen in einem Schwebezustand auf den Inseln nah der der EU-Grenzen festhalten. Gleichzeitig werden besonders verletzliche Menschen und anerkannte Flüchtlinge aufs Festland geschickt, ohne dass ihnen Sicherheitsnetze oder konkrete Lösungen für eine langfristige Integration angeboten werden. So oder so sind die Geflüchteten in einem Teufelskreis gefangen und fühlen sich nicht nur ohnmächtig, sondern sind auch buchstäblich nicht in der Lage, für sich und ihre Angehörigen zu sorgen.
Die zahlreichen unvermeidbaren Konsequenzen sind:
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Eine Vergrösserung der Kluft zwischen humanitären Akteuren und den lokalen Gemeinden, die Geflüchteten und humanitären Akteuren gegenüber immer feindseliger eingestellt sind.
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Die Geflüchteten befinden sich in einem Schwebezustand oder sehen sich vor einer Zukunft mit geringen Aussichten auf ein würdiges Überleben.
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Die schrittweise Umwandlung von Aufnahmezentren in geschlossene und kontrollierte Lager führt zu einer Ghettoisierung der geflüchteten Bevölkerung
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Strengere politische Massnahmen und die Einschränkung staatlicher Unterstützung (wie z.B. die Beendigung der ohnehin schon geringen finanziellen Unterstützung für selbst untergebrachte Asylbewerber:innen) sind ein weiteres Hindernis für die Bemühungen der Geflüchteten um Eigenständigkeit und Integration.
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Als Folge des Kriegs in der Ukraine werden Geflüchtete aus anderen Staaten aktuell von den Ballungszentren (Athen, Thessaloniki) in periphere Lager ausgesiedelt, wo wenig bis keine Möglichkeiten für eine Anstellung zu finden sind.
Die Situation von geflüchteten Frauen in Griechenland
Begrenzter Zugang zu Ressourcen, strukturelle Unzulänglichkeiten, überlastete oder zusammengebrochene Sicherheitsnetze, Hindernisse bei der rechtlichen Vertretung und bei Gesundheits- und Reproduktionsdienstleistungen,… dies sind nur einige der Hürden, die geflüchtete Frauen überwinden müssen. Ihre Stimmen werden zum Schweigen gebracht und ihre Fähigkeiten werden unterschätzt. Sie sind regelmässig mit einem erhöhten Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit konfrontiert.
So helfen wir
SAO Association unterstützt Frauen in ihrem Streben, ihr Leben in Sicherheit und Würde in ihrer neuen Umgebung wieder aufzubauen, indem wir ihre Bedürfnisse an der Wurzel anpacken und mit ihnen zusammenarbeiten, um Traumata und hindernde Umstände und Wahrnehmungen zu überwinden.
Wir betreiben zwei Tageszentren in Athen und auf Lesbos, wo wir ein psychosoziales Unterstützungsprogramm für alleinstehende Frauen, Mütter, junge Mädchen, Witwen, beeinträchtigte und ältere Frauen durchführen. Wir helfen ihnen bei der Bewältigung traumatischer Erlebnisse, der Wiedererlangung ihrer Stärke und der Optimierung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten und unterstützen sie in ihren Bemühungen, ein sicheres, unabhängiges und erfülltes Leben fernab von Elend, Leid und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu führen.
Unser Vorgehen
Wir unterstützen vertriebene Frauen darin, Inklusion und Autonomie zu erlangen - ein Vorgehen, das komplexe Lösungen und ein Zusammenspiel von verschiedenen Massnahmen erfordert. Unsere Fachfrauen sind qualifiziert, diese Komplexität anzugehen, Allianzen zu schmieden und gemeinsam mit den Frauen, die sich ihnen in einer kritischen Phase ihres Lebens uns anvertraut haben, nachhaltige Möglichkeiten zu finden.
SAO Association unterstützt vertriebene Frauen, die in Griechenland leben, mit konkreten, effizienten, neutralen und ethischen Ressourcen, um eine nachhaltige Zukunft zu schaffen. Wir helfen ihnen, sich zu ermächtigen, Veränderungen zu bewirken, Hindernisse zu beseitigen und sich in ihrer neuen Heimat zu integrieren.